Rechtsgeschichte
Tora
Genesis, Kap. 41-44; Parascha Miketz Schabbat, 19. Dezember 2020
Das beherrschende Thema dieser Parascha ist Josef, der Lieblingssohn seines Vaters Jakob (richtig Jaakow). Thomas Mann hat einen Roman von mehr als eintausend Seiten über „Josef und seine Brüder“ geschrieben, und ich habe lediglich eine kleine Seite zur Verfügung….
Ob es diese Person je gegeben
hat, wage ich zu bezweifeln. Die Geschichten über ihn, auch
wenn interessant
und zum Teil lehrreich, sind doch zu sagenhaft. Außerdem
kommt der Name eines ägyptischen Vizekönigs m. Namen
Josef – auch allein der Name Josef - in den
ägyptischen Annalen überhaupt nicht vor,
obschon eine Anekdote aus Josefs Leben eine Ähnlichkeit mit
einer ägyptischen Geschichte hat. Der
Verführungsversuch
durch seine Herrin, Potifars Ehefrau, ist eine schöne
Geschichte, der sogar Rembrandt
ein Gemälde gewidmet hat. Eine ähnliche ist schon
Mitte des zweiten Jahrtausends v.d.Z. in Ägypten zu
finden. Da will eine Frau den jüngeren Bruder ihres Ehemannes
verführen, und als ihr das nicht gelingt,
beschuldigt sie ihn, er habe versucht, sie zu verführen. Nun
sind solche Fälle in der Menschheitsgeschichte
sicherlich in vielen Kulturen nicht ganz selten vorgekommen. Die
biblische Anekdote hat doch noch
einen besonderen Gesichtspunkt: Josef verweigert den Beischlaf mit der
Frau seines Herrn mit den Worten:
Er
(Potifar) hat
mir nichts vorenthalten außer dir, weil du
seine Frau bist. Wie sollte ich denn nun ein
solch großes Übel tun und gegen Gott
sündigen? (Gen. 39,
9). Josef verweigert den Beischlaf nicht
nur,
da er seinem Herrn und Gönner kein großes
Übel tun will – das hätte er wie die
meisten Jünglinge vielleicht
noch vollbracht - er verwendet einen noch verstärkenden
Gesichtspunkt, den ethisch-moralischen
Aspekt, er will nicht gegen Gott sündigen.
Ich meine, dass es den Redaktoren gerade darauf ankam, als sie diese an sich nicht besonders ungewöhnliche Erzählung in die Bibel aufnahmen. Eigentlich hatte die Bibel keinen Einwand gegen die Verführung von Eheleuten. (Tamar, die Schwiegertochter des Jehuda, hatte sich als Hure verkleidet, um ihren Schwiegervater zu verführen; aus dieser Liaison kam die König-David-Dynastie hervor.) Die Gelehrten der Talmudzeit, eintausend Jahre später, wollten das Moralische besonders hervorheben, indem sie die Geschichte nach bester Manier ausschmückten. Es steht ja ebenda ausdrücklich:
Und sie bedrängte Josef mit solchen Worten täglich. Aber er gehorchte ihr nicht.
Das Wort „täglich“ konnte man genießerisch interpretieren: Jeden Tag, so der Midrasch, bedrängte sie ihn mit schönen Worten. Kleider, die sie morgens trug, trug sie nicht am Abend. Kleider, die sie abends trug, trug sie nicht am Morgen. Da sagte sie ihm, gehorche mir! Er aber sagte, nein! Da sagte sie, ich lasse dich ins Gefängnis werfen, er zitierte aber, Gott befreit die Gefangenen. Sie sagte, ich werde dich beugen, er zitierte, Gott richtet die Gebeugten auf. Ich werde deine Augen blenden lassen. Da sagte er, Gott erhellt die Blinden. Sie gab ihm eintausend Talent Silber, aber er wollte es nicht annehmen.
Danach ist das passiert, was oben bereits angedeutet wurde:
Sie erwischte ihn bei seinem Kleid und sprach: Schlafe bei mir! Aber er ließ das Kleid in ihrer Hand und floh und lief zum Hause hinaus. Als sie nun sah, dass er sein Kleid in ihrer Hand ließ und hinaus entfloh, rief sie das Gesinde ihres Hauses und sprach zu ihnen: Seht, er hat uns den hebräischen Mann hergebracht, dass der seinen Mutwillen mit uns treibe. Er kam zu mir herein und wollte bei mir schlafen; aber ich rief mit lauter Stimme.
Jedenfalls war sie geistesgegenwärtig und hatte eine Erklärung für das Kleid Josefs in ihrem Schlafgemach.
G. Miller