WÖRTERBUCH DES JÜDISCHEN RECHTS
Neudruck 1980 der im "Jüdischen Lexikon"
(1927-1930)
erschienenen Beiträge von Marcus Cohn
BOTE
Im Gegensatz zum Vertreter, der mit direkter Wirkung für den Auftraggeber einen Rechtsakt vornehmen kann, ist der B. lediglich ein Werkzeug in der Hand des Auftraggebers und nur der Überbringer eines fremden Willens. Er ist der Vertreter in der Willenserklärung, nicht der Vertreter im Willensentschluss. Die vom B. vorgenommene Handlung ist somit eine rein tatsächliche. In Mischna und Talmud wird allerdings auch für den B. der Ausdruck schali-ach benutzt, der gleichzeitig für den Vertreter gilt, so dass sich nur aus dem Zusammenhang ergibt, ob die tatsächliche Handlung eines B. oder die rechtliche eines Vertreters vorliegt. Für die Botenhandlungen wird jedoch, bes. in nachtalmudischen Schriften (vgl. Netiwot biurim, Ch. M. 182, 2), der treffende Ausdruck "Bloße Handlungen eines Affen" (ma-asse kof be-alema) gebraucht. Dieser Ausdruck geht zurück auf eine Erörterung im Talmud (b. Eruw. 3lb und b. Meila 21a), wo klargestellt wird, dass bei tatsächlichen Handlungen eines Vertreters auch Vertretungsunfähige (z. B. Minderjährige) zugelassen werden können, da dies Handlungen seien, die auch ein abgerichteter Affe vornehmen kann. Aus dieser Terminologie geht auch hervor, daß die Scheidung zwischen Vertreter und Botenhandlung in talmudischer Zeit bereits ausgeprägt war.