Wo beginnt das jüdische Recht?
König Josia
Jerusalem, Ende 7. Jhdt v., eine Rekonstruktion

Eine Renaissance erlebte der Staat Judäa zur Zeit des
Königs Josia. Die außenpolitischen Verhältnisse waren
sehr günstig. Die Großmacht Assyrien, die einhundert Jahre
früher den Staat Israel zerbrach und Judäa tributpflichtig
machte, befand sich in Auflösung und wurde schließlich von
Babylonien besiegt.
Judäa wurde allmählich unter Josia selbständig und
konnte sich sogar, ohne Kriege führen zu müssen, das
ehemalige Israel, das Nordreich, einverleiben. Judäa errang seine
staatliche Größe wie zur Zeit Davids. Weit wichtiger als die
politische Freiheit waren für die Zukunft und für den Bestand
des jüdischen Volkes die religiösen und kulturellen Reformen,
die Josia durchführte. Er kam im Alter von acht Jahren auf den
Thron und wurde von den Tempelpriestern erzogen. Im 12. Jahr seines
Regiments (628 v.d.Z.) wurde im Tempel das Tora-Buch, - das sogenannte
Deuteronomium, das heutzutage in der Bibel als das 5. Buch Moses
bezeichnet wird - gefunden. Daraufhin wurden im ganzen Land, auch im
ehemaligen Nordreich, die Kultstätten der anderen Götter, wie
Baal und Astarte, zerstört; von nun an sollte der Tempel zu
Jerusalem die einzige Kultstätte sein und JHWH der einzige Gott
des israelitischen Volkes. Am Ende dieser Reformmaßnahmen, die
sechs Jahre dauerten, wurde das Tora-Buch bei einer
Großveranstaltung im Tempel vorgelesen und ein Bund zwischen dem
Volk und Gott geschlossen, in dem sich das Volk verpflichtete, dem
Gesetz der Tora treu zu sein.
Laut Auffassung der meisten Bibelforscher kann man erst von diesem
Zeitpunkt an von einer geschriebenen Tora sprechen, mindestens ist die
Existenz einer geschriebenen Tora hier zum ersten Mal dokumentiert,
ferner wird hier zum ersten Mal der reine Monotheismus vom Volk
anerkannt. Der erneuerte Glaube und das im Buch veröffentlichte
Gesetz waren zweifellos entscheidend für die Weiterentwicklung der
Gesetzesreligion der Juden und für die Tatsache, dass diese
Volksreligion oder dieses Religionsvolk das darauf folgende
babylonische Exil, wie auch die späteren Diaspora-Zeiten,
überdauert hat.
König Josia, der von den Bibelredakteuren für so bedeutend
betrachtet wurde, dass seine Ankunft auf der Weltbühne bereits 300
Jahre vor seiner Geburt angekündigt worden sein soll (ein auch
für ein Buch voller Prophetien ungewöhnliches Phänomen;
s. 2. Könige 13, 1-2), fiel im Kampf gegen den Ägyptischen
König Necho bei Meggido um 609 v.d.Z. (dieser Kampf ist auch
außerbiblisch dokumentiert).